Zombieapokalypse auf dem Spielzug Hannover 2013
“Verdammt!”
Der Helikopter war nicht mehr als eine Fata Morgana: Pilot und Co-Pilot hingen halb aufgefressen in ihren Gurten – vermutlich von den Passagieren. Als wir ihn erreichten, fehlte von denen jede Spur. Der Pilot hatte sich bereits verwandelt: seine milchigen Augen starrten uns aus einer vor Hunger verzerrten Fratze an, laut schnappten Unter- und Oberkiefer aufeinander.
”Was nun?”
”Keine Ahnung. Kannst Du das Ding fliegen?”
Statt zu antworten warf Jen mir lediglich ihren ‘willst Du mich verarschen’ Blick zu.
”Lass uns verschwinden. Irgendwo müssen sich hier noch Beißer herumtreiben.”
Ja…”, es schmerzte mich, jetzt einfach weiterziehen zu müssen. Ich hatte uns schon in Sicherheit fliegen sehen. Aber in dieser neuen Welt darf man wohl nicht auf Wunder hoffen.
”Wo lang?”
Noch ehe Jen antworten kann nimmt ein lautes klappern und das unverkennbare Stöhnen der Zombies uns die Entscheidung ab. Hinter dem Helikopter schlurfen vier dieser Monster auf uns zu. Einer stolperte ständig über seinen Darm. Mir wird übel.
”Da lang!”, sagte ich und zeigte in Richtung des U-Bahneingangs.
Wir laufen los. Noch bevor wir den Eingang erreichen stürzen weitere acht Zombies aus dem Eingang vor uns, der Krach muss sie angelockt haben. Jen, richtet Ihre Uzi auf sie und noch ehe die ersten auch nur ein paar Schritte gegangen sind, fallen sie von Kugeln getroffen hintenüber. ‘Klick, klick, klick’ höre ich nach dieser ersten kurzen Salve.
‘Oh nein!’ denke ich.
”Fuck!”, Jen ist da direkter.
Vier der Zombies haben sich berappelt und schneiden uns den Weg ab. Dann muss es halt Betty richten. Sie ist mehr als ein Stück lebloses Stahlrohr. Sie ist schwer, handlich, der ideale Zombiekiller und sie hat mir öfter als ich zählen kann das Leben gerettet– ohne Betty, wäre ich schon lange eines dieser geistlosen Monster geworden.
Ich nehme Anlauf, hole Schwung und lasse Betty mit einem gewaltigen Streich in die Schläfe des ersten Angreifers krachen: ein Typ in teurem Anzug, schade diesen zu ruinieren. Sein Gesicht nehme ich kaum war, ehe es in einem Brei aus Blut und Knochen verschwindet. Nur noch drei. Ich hole erneut aus und schwinge Betty wie einen Baseballschläger. Mit einem unangenehmen Knacken, trifft sie ihr Ziel. Inzwischen ist auch Jen da. Ohne Munition, setzt sie den Stock ihrer Waffe wie einen Hammer ein. In blindem Zorn drischt sie auf etwas, das vielleicht mal eine sorgende Mutter war ein. Immer wieder. Bluttropfen gesellen sich in bizarrer Harmonie zu dem Blütenmuster auf dem Kleid der Kreatur. Der letzte Zombie greift nach Betty: “Vergiss es, Arschloch!” Entfährt es mir. Ich trete zu, das Wesen (ein Junge in Hip-Hop Kostüm, kaum älter als mein kleiner Bruder) fällt hin – einen Augenblick später ist auch er Geschichte.
Neben mir schreit Jen laut auf: vor Schmerz, vor Wut, vor Angst, Hass, Verzweiflung. Alles gebündelt in diesem schrecklichen Laut. Der Zombie, mit seinem aus dem Bauch hängenden Gedärm hat es irgendwie geschafft uns einzuholen. Er liegt nun vor Jen, ihr Bein blutet, seine Klauen halten sie fest.
”Nein, nein, nein, nein, NEIN!”.
Ich eile ihr zur Hilfe. Dresche auf die Kreatur ein bis sie loslässt. Weitere Zombies tauchen direkt vor uns auf.
”Lauf!” schreie ich.
Humpelnd nimmt Jen Reißaus. Ich stelle mich den ersten Zombies in den Weg, doch bevor ich ausholen kann, greifen blutverkrustete Klauen nach mir. Ich zerre, doch vergeblich: tote Hände halten mich wie ein Schraubstock fest. Noch ein Ruck – kräftiger diesmal und tatsächlich gelingt es mir mich zu befreien. Mit gewaltigen Streichen erledige ich zwei weitere Zombies, drehe mich um und folge Jen. Im Laufen spüre ich wie Blut aus einer klaffenden Wunde meinen Arm hinunterläuft. ‘Oh Gott! Bitte nicht. Bitte nicht mich!’…
Reanimated
So oder ähnlich kann es einem bei einer Partie Reanimated ergehen. Ein engagiertes Zombie-Tabletop Projekt aus Deutschland. “Baal” & “Burns” ist es mit ihrer superben Platte gelungen, die Endzeitstimmung von Geschichten wie Dawn Of The Dead, oder The Walking Dead grandios einzufangen. Selten habe ich eine Platte mit derart vielen Details gesehen. Im Grunde findet man an jeder Ecke und auf den verschiedenen Ebenen kleine Dioramen. Einige gar so toll gestaltet, dass man sie auf dem ersten Blick für Fotos halten könnte – man schaue sich nur die Toiletten der U-Bahn-Station an! Ich habe das Bild unten mit Hotspots versehen: ihr könnte Euch also bequem die Details der Platte anschauen.
Auch die tollen Miniaturen vermitteln eine passende Stimmung. Hier und da mit einigem Augenzwinkern und Anspielungen aus bekannten Filmen. So konnte man beispielsweise Shaun mit seinem Cricket-Schläger gegen die Untoten Horden ins Feld führen. Das System ist sehr eingängig und man hat es binnen einer Runde kapiert. So lange man die Zombies auf Abstand halten kann, oder zumindest die Initiative hat, stellen sie kein Problem dar. Einmal im Nahkampf umzingelt, sieht man allerdings alt aus. Man wird zwar durch eine Verletzung nicht automatisch infiziert, doch ist die Wahrscheinlichkeit auch nicht gering. Sollte man überleben, kann man das Spiel zwar noch gewinnen, jedoch hat das einen bitteren Beigeschmack. Mein Mitspieler und ich wurden beide infiziert, so recht konnten wir uns daher über unseren ‘Sieg’ nicht freuen. Aber die Apokalypse ist halt kein Urlaub auf dem Pony-Hof, um es mit den Worten eines der großen Philosophen unserer Zeit zu sagen.
Die Regeln stehen derzeit als Beta-Download im Reanimated-Forum zur Verfügung. Schaut es Euch doch mal an – es lohnt sich.
Intermezzo – Der Spielzug Hannover
Nachdem ich also meine erste Demo auf der schönsten Platte des Spielzuges als dem Tode Geweihter überlebt hatte, konnte ich mich in Ruhe auf dem Spielzug Hannover 2013 umschauen. Für alle, die den Spielzug nicht kennen – er wird seit 2010 jährlich vom Tabletop Treff Hannover (3TH) ausgerichtet und lädt dazu ein auf drei Etagen dem Hobby zu frönen. Auf dem Con stellt sich nicht allein der 3TH vor: dieses Jahr war auch der Tabletop Club Erfurt in großer Zahl (und mit tollen Platten) vertreten. Man merkt allen an, dass sie mit viel Herzblut dabei sind. Darüber hinaus gibt es auch Work Shops: dieses Jahr stach vor allem das Können des Styrodurkünstlers Gerard Boom aus Holland ins Auge. In den verschiedenen Hallen buhlten zudem einige Händler um die Besuchergunst.
Eigentlich wollte ich ja nix kaufen, konnte dann aber nicht an den Punkt- und Rundenzählern des 3TH vorbei. Für 1,-€ ein Schnäppchen bei dem man nichts falsch machen konnte. Zudem super praktisch. Raddeldaddel hat mich dann auch verführt bei Dreadball Season 2 zuzuschlagen und mich mit der Regelerweiterung und einem Judwan-Team einzudecken. Auf dem Flohmarkt bin ich zudem beim Malifaux Undead Rider schwach geworden: Asche auf mein Haupt, aber das Model ist einfach zu cool und der Preis war zu verlockend.
Auf dem Spielzug hier nicht zu übersehen, dass Zombies nicht nur die Populärkultur, sondern auch unser Hobby erobern. Neben Reanimated war auch noch Secrets Of The Third Reich mit einem Tisch vertreten. Im Obergeschoss hatten Die Jungs von Pb-12 ebenfalls eine Zombieplatte im Angebot:
Pb-12
Bei PB-12 handelt es sich um ein generisches Skirmish-Tabletop. Wie Reanimated stammt auch dieses aus Deutschland. Die sympathischen Jungs von Pb-12 waren vor selbst Ort, um Ihr System vorzustellen – mit einem Zombie-Szenario natürlich, womit sonst . In die Platte ist jedenfalls eine Menge Arbeit geflossen: sie war mit Zahlreichen LEDs versehen, die über ein kleines Netbook gesteuert werden konnten. So ließ sich atmosphärisch ein Alarm auslösen, Türen öffnen, oder schließen, der Fahrstuhl rufen, etc.… Sehr cool. Das System nutzt ungewöhnlicher Weise Zwölfseiter. Die Proben sind nicht gerade leicht zu schaffen, man hat aber Möglichkeiten die Chancen zu seinen Gunsten zu manipulieren: so kann man die Chance verringern, aber dafür zusätzliche Würfel kaufen, man kann sich konzentrieren, Aktionen aufgeben und den Trefferwert reduzieren, Aktionskarten kaufen und einsetzen und das ganze kombinieren. Dabei kann man aber nicht unbegrenzt agieren. Jeder Spieler verfügt über eine bestimmte Anzahl an Befehlspunkten und jedes Model darf nur begrenzt handeln. Insgesamt ist das Spiel recht eingängig und schnell erlernt. Spaß macht es zudem auch. Eine tolle Idee fand ich die zweite Platte, die Pb-12 dabei hatte: eine Paintball-Arena. Mit Paintball-Gelände und passenden Minis. Großes Kino!
Leider ist die Pb-12 Internetseite im Augenblick nicht zu erreichen. Ich verlinke sie trotzdem hier in der Hoffnung, dass der Link bald wieder funktioniert.
7TV
“Shagadalic!” – Entfuhr es mir als ich das geniale Hauptquartier Dr. Evils sah. Ein Höhle! Sie haben eine verdammte Höhle gebaut – mit 60er Jahre Computerschränken, Konsolen, kleinen Bürostühlen, Riesenbohrer, Gabelstapler, sogar einem Getränkeautomaten. In dieser liebevoll und detailliert gestalteten Umgebung versuchen Austen Powers und Miss Kensington Dr. Evils verrückten Plan zu durchkreuzen. Wird er nicht aufgehalten, zündet er eine Atombombe so nahe am Erdkern, dass die Welt von gewaltigen Vulkanausbrüchen zerstört werden wird.
7TV ist ein Tabletop-Spiel, das versucht die überdrehte Atmosphäre von 60er und 70er Jahre SpyFi Serien einzufangen: also etwa Mondbasis Alpha 1, oder Mit Schirm, Charme und Melone. Die Regeln selber sind sehr simpel. Was das Spiel ausmacht ist eine große Anzahl an Sonderfähigkeiten, aus denen die Protagonisten wählen können. Zusätzlich gibt es witzige Spielmechaniken, die das Thema des Spiel auf Lustige Weise aufgreifen, wie zum Beispiel den Audience-Appreciation Token. Abhängig von Initiativwurf bekommt ein, oder beide Spiele jede Runde einige hiervon. Man kann sie dann einsetzen um dem Glück ein wenig nachzuhelfen.
7TV von Crooked Dice Games ist insgesamt ein launiges kleines Tabletop, das vor allem von seinem tollen Hintergrund und seinen schrägen Charakteren und Einfällen lebt. Vielen Dank an “LargoW” für die Demo auf dieser wirklich gelungenen Platte.
Super Dungeon Explore
Für mich die größte Überraschung – für viele von Euch sicherlich ein alter Hut, immerhin gibt es Super Dungeon Explore von Soda Pop bereits seit einer ganzen Weile und die Soda Pop Girls werden auf Messen auch Regelmäßig von Nerds belagert. Diese Art des Marketings hatte mich bisher allerdings eher abgeschreckt: wer so gezielt die Schwäche unsicherer, schüchterner Kellerkinder und Teenager ausnutzt, wird auf diese Weise wohl die Mängel seines Spiels ausgleichen.
Doch Kai vom Spiel-Club Erfuhrt, der ganz offensichtlich kein Soda Pop Girl ist, konnte mich vom Gegenteil überzeugen. Wer sich auf Super Dungeon Explore einlässt, wird mit einem sehr unterhaltsamen Spiel, voller origineller Einfälle und jeder Menge 80er Jahre Nintendo-Charme belohnt. So kämpfen sich unsere kleinen, süßen und großköpfigen Helden durch Heerscharen bunter Schildkröten und anderer Monster. Die Helden haben dabei besondere Fähigkeiten, die einander ergänzen und unterstützen. Das ist auch bitter nötig, denn der Dungeon Master kann aus seinen Lairs immer neue Gegnerwellen entstehen lassen, um sie den Helden entgegen zu werfen. Darunter so schräge Sachen wie Schildkröten, die einen in Bowlingmanier mit ihren Artgenossen bewerfen. Erschlagene Monster lassen immer wieder Powerups fallen, welche die Helden immer stärker werden lassen. Schließlich kommt es dann zum unausweichlichen Boss-Kampf. Der fordert den Helden dann auch wirklich alles ab. Umso befriedigender ist es ihm schließlich den Garauszumachen.
Daher: Daumenhoch für Super Dungeon Explore!
MERCS
Mein derzeitiger Favorit MERCS durfte natürlich nicht fehlen. Gespielt habe ich es diesmal nicht, aber mir auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen mit Timo ein wenig zu klugschnacken. Er hat einen guten Job gemacht und das Spiel toll präsentiert. Das Gelände hat mir gut gefallen, insbesondere die Autowracks, die überall herumstanden. Leider konnte ich nicht wirklich herausbekommen woher die stammen. Falls es jemand weiß, postet es doch bitte in den Kommentaren.
Und so viel mehr….
Es gab natürlich noch viel, viel mehr zu sehen. Zuviel um alles an einem Tag auszuprobieren. Ich finde vier neue Tabletops an einem Tag schon mal keinen schlechten Schnitt. Wer wissen möchte, was es sonst noch so gab, kann sich das Programm des Spielzuges anschauen. Für den nächsten Spielzug werde ich sicher wieder einen Platz in meinem Kalender frei halten. Vielleicht sieht man sich ja dort ja wieder.